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Fachübersetzung medizinischer Texte

von Anna Schneider

Definition und Gegenstand der medizinischen Fachübersetzung

Unter Übersetzungen von medizinischen Texten oder der medizinischen Übersetzung versteht man sowohl der Prozess als auch das Resultat der Transformation spezialisierter medizinischer Publikationen und privater Patientendaten aus der Quell- in die Zielsprache. Dieses Fachgebiet ist durch besondere Stellung und Wichtigkeit der zu übersetzenden Informationen (die auf die praktische Orientierung der Medizin als Heilkunst zurückzuführen ist), die höchsten Anforderungen an Präzision und uneinheitliche Terminologie gekennzeichnet.

Gleich, ob es um die Epikrisen, Arztbriefen mit Untersuchungsergebnissen, Operationsberichte, Laborbefunde, funktionsdiagnostische Ergebnisse, Patienten- und Ärzteinformationen, Beipackzettel, Therapieempfehlungen oder Public-Relations-Texte und wissenschaftlichen Publikationen geht, - alle diesen Texte haben ihren eigenen Stil und ihre eigene Ausdrucksweise, die auch im übersetzten Text ihren richtigen Ausdruck erhalten sollen, ohne befremdend zu wirken. Allein die Anzahl der medizinischen Fachrichtungen der ersten Ordnung (wie „Chirurgie“; „Frauenheilkunde und Geburtshilfe“, „Pädiatrie“ oder „Urologie“) beträgt 38, ganz abgesehen von den unzähligen Untergebieten und Schwerpunkten.

Lexische Variationen der „medizinischen“ Sprache am Beispiel der russischen und deutschen medizinischen Texte

Medizinische Texte haben ihre eigene Ausdrucksweise. Ihre Übersetzung erfordert mehr als „nur“ exzellente Kenntnisse der Zielsprache. Genauso wichtig ist es, dass sich Übersetzer mit den landes- und branchenspezifischen Fachbegriffen auskennt und sein Fachwissen konstant auf dem neuesten Stand hält. Durch stark ausgeprägte Vielfalt sind das „medizinische“ Deutsch und das „medizinische“ Russisch gekennzeichnet, beider sehr ausdrucksvolle in ihrer allgemeingebräuchlichen Form und angereicherte mit Fachtermini aus den Nomenklaturen (so genanntes „Medizinerlatein“, s. u.), nationalsprachlichen Begriffen, englische Bezeichnungen und Abkürzungen aller Art. Nicht selten ist die Anwendung mehrerer (bis zu 12-15!), oft umgangssprachlicher oder eingedeutschter/russifizierter, Bezeichnungen für ein einziges Gebilde in den medizinischen Informationen. Es wäre falsch zu glauben, dass medizinische Texte einfach aus der allgemeingebräuchlichen Lexik mit Einschüben vom „Medizinerlatein“ aufgebaut sind.

Anatomische Bezeichnungen und Anatomische Nomenklatur

Etwa 8000 existierende heute anatomische Bezeichnungen werden in der humananatomischen Nomenklatur (Nomina Anatomica) definiert. Die Entwicklungsgeschichte der anatomischen Nomenklatur reicht bis in die Antike zurück. Neben dem aktuell geltenden Regelwerk Terminologia Anatomica (1998) findet man in manchen Quelltexten auch ältere Definitionen der Basler Nomina Anatomica (BNA, 1895), Jenaer Nomina Anatomica (JNA, 1935) und Pariser Nomina Anatomica (PNA, 1955).

Standardisierte Nomenklaturformulierungen sind aus ca. 600 Grundbegriffen lateinischer und griechischer Herkunft zusammengesetzt und werden nach lateinischer Art sprachlich behandelt und konjugiert. Definition der anatomischen Begriffe auf der Grundlage vom „toten“ Latein hat historische Wurzeln. Dennoch bleibt das „Medizinerlatein“ nicht unveränderlich und wird, wie die ganze moderne Wissenschaft, von der Dominanz der englischen Sprache beeinflusst. So werden z. B. Diphthonge „oe“ und „ae“ manchmal einfach durch „e“ ersetzt (Oesophagus – Esophagus). Bildung, Konjugationen, Deklinationen und Abkürzungen der Nomenklaturbezeichnungen werden in speziellen Werken zum Thema Anatomische Nomenklatur behandelt.

Das Besondere an der Übersetzung von medizinischen Texten

Moderne Medizin fasziniert. Medizinische Texte, die meistens essenzielle Daten bergen, sind, außer uneinheitlicher Benutzung der anatomischen Terminologie, durch enorme Vielfalt von Fachrichtungen und neuen Technologien und Einrichtungen, die von heute auf morgen benannt werden müssen, gekennzeichnet. Die für die Übersetzung von medizinischen Texten erforderliche Kompetenz ermöglicht dem Übersetzer, die mehrdeutigen Ausdrücke sicher und korrekt zu deuten (Ebenfalls nicht zu vergessen sind „Falsche Freunde des Übersetzers“!). Bei der Interpretierung von topografischen Erläuterungen ist es genauso wichtig, dass sich der Übersetzer mit den Körperachsen und -ebenen mit räumlichen Orientierungspunkten auskennt.

Nicht selten gestaltet sich das Ergebnis der Bemühungen der medizinischen Fachübersetzer, die Vielfalt von anatomischen und anderen medizinischen und medizintechnischen Bezeichnungen einzuordnen, in Form von Wörterbüchern „eigener Herstellung“. Diese sachbezogenen angewandten Werke ersetzen fehlende medizinische Fachwörterbücher und setzen nicht das Ziel, ätiologische oder linguistische Aspekte zu behandeln.

Ein fachlich qualifizierter medizinischer Übersetzer berücksichtigt auch die Uneinheitlichkeit, die durch Anwendung verschiedener Maßeinheitensysteme entsteht, und bei Bedarf führt entsprechende Umrechnungen, z. B. von Laborwerten, in ein anderes System (meistens das weltweit geläufige SI) durch.

Um die erforderliche Exaktheit der medizinischen Übersetzung zu gewährleisten, muss unter anderem die Bedingung des direkten Kontaktes des Übersetzers mit dem Auftraggeber/Verfasser des Quelltextes erfüllt sein. Nur solche persönliche Verbindung bietet die Möglichkeit, alle unklaren oder mehrdeutigen Aussagen zu präzisieren sowie eventuelle Schreibfehler zu entdecken und zu korrigieren.

Qualität medizinischer Fachübersetzungen

Eine hochqualitative Übersetzung setzt unbedingt inhaltliche Genauigkeit, grammatikalische und stilistische Korrektheit voraus. Medizinische Fachübersetzungen, d. h. im Bereich mit der eigenen Fachsprache, stellen an die Übersetzer besondere Anforderungen (vor allem die Exaktheit und Eindeutigkeit der Textwiedergabe in der Zielsprache), die nur von den wenigen Experten erfüllt werden. Mit der Übersetzung von medizinischen Texten sollten nur angemessen qualifizierte Übersetzer betraut werden: Ein solcher Übersetzer sollte nicht nur die Quell- und Zielsprache des zu übersetzenden Textes exzellent beherrschen, was schon mehr als „nur“ akademische Bildung voraussetzt, sondern auch über eine naturwissenschaftliche Grundlage und mehrjährige Erfahrung auf diesem Gebiet verfügen. Nur ein erfahrener, ebenso sprachlich wie fachlich qualifizierter Übersetzer hat die Fähigkeiten und Kenntnisse, im fachbezogenen Sprachstil der jeweiligen Zielsprache ohne doppeldeutige oder ungenaue Formulierungen zu schreiben. Die Qualität und Sorgfältigkeit verpflichtet auch zur Verfügung über alle notwendigen Hilfsmittel (Das Fehlen an Fachwörterbüchern vom ausreichenden Umfang zwingt oft zur Erstellung der eigenen!) und selbstverständlich zur unerlässlichen seriösen und diskreten Behandlung jeder Angelegenheit des Auftraggebers.

Die hochqualitative medizinische Übersetzung wird von Experten auf diesem Bereich erstellt, die allen erwähnten Forderungen entsprechen, genaue inhaltliche und stilistische Wiedergabe der fachbezogenen Information gewährleisten und darüber hinaus die Umrechnung der Laborwerte in SI-Maßeinheiten oder Adaptation des Textes, damit er auch für Nichtfachleute gut lesbar ist, bieten.

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